Freitag, 25. November 2011

Ipiales nach Medellin, erste kolumbianische Eindrücke

1-5.11.11: Ipiales- Popayan, durch den wilden Süden Kolombiens
Unser erster Eindruck von Kolombien in und um Ipiales (2900m) ist eher "durchzogen": viele schäbige Gebäude, ein riesen Verkehrschaos und ein erstaunlich hohes Preisniveau (im Vergleich zu Bolivien, Peru & Ecuador). Doch schon bei der Weiterfahrt nach Pasto lernen wir die charmante Seite unseres letzten Reiselands kennen: Nette und hilfsbereite Menschen, wunderschöne andine Landschaften, jede Menge "Ciclistas" die mit ihren Rennmaschinen an uns vorbeiflizen oder für einen "Schwatz" ihr Tempo drosseln, gut ausgebaute und bewachte (bei jeder Brücke ein Militär-Checkpoint) Strassen. Nur für die zum Teil kriminellen Ueberhohlmanöver der kolumbianischen Truck-chauffeure können wir uns nicht so ganz erwärmen. Nach einer anstrengenden ersten Etappe (87km, 1730Hm) erreichen wir Pasto (2500m), wo wir erstmal einen Ruhetag einlegen.


Kurz nach Ipiales:Treffen mit Alleinradler Michel aus Kanada, 65 und topfit

Wilde Landschaften zwischen Ipiales und Pasto

Mangels Alternativen werden wir in Kolumbien definitiv zu PanAm-rider

Schoenes Andendorf kurz vor Pasto

Plaza central von Pasto

Nach Pasto steigt die Panamericana nochmals bis auf 2800m an bevor wir das kalt-nasse andine Hochland entgültig verlassen. In einer Abfahrt von 50km in einer wilden Canonlandschaft gelangen wir bis zum Rio Patio auf 500m. Nicht nur das Klima, auch die Menschen ändern total. Finden wir in Pasto noch die eher schüchternen Indigenas vor, leben entlang des Rio Patio hauptsächlich Menschen afro-amerikanischen Ursprungs. Die Lebensfreude ist diesen Menschen anzusehen, überall sind "heisse" Rumbo- , Merengue- und Salsarythmen zu hören, es kommt uns vor wie ein kleiner Vorgeschmack auf die Karibik. In El Remolino gönnen wir uns den Luxus eines Zimmers mit Klimaanlage .... zu dumm nur dass die ständigen Stromausfälle die Klimaanlage kaum je funktionieren lassen ;-(

Tiefe cañons praegen das Bild nach Pasto

Blick auf das Tal des Rio Patio

Der nächste Tag wird eine weitere Bewährungsprobe für unsere Hitzeverträglichkeit: während Philipp das Tropenklima in dieser sehr dünn besiedelten Region geniesst ist Isa froh um jeden schattenspendenden Baum. Nach 80 "heissen" Kilometern und einem Kettenriss bei Philipp erreichen wir El Bordo (900m), wo wir eine gute und preiswerte Unterkunft finden. Am Nachmittag ziehen Regenwolken auf und der Tropenregen lässt die Temperaturen ein bisschen angenehmer erscheinen. Das Regenwetter bleibt uns zu Isas grosser Freude auch am nächsten Tag treu, so bleibt uns eine Hitzeschlacht auf den sehr bergigen (mehr als 2000Hm!) 85Km bis nach Popayan (1800m) erspart. Nach 7 Stunden im Sattel kommen wir erschöpft in Popayan an, nur um festzustellen dass die Hauptstrasse vom Militär komplett abgeriegelt ist und dass auch sonst an jeder Ecke Soldaten herumstehen. Wir erfahren, dass am Tag zuvor in einer Militäraktion ungefähr 50km von Popayan entfernt der Chef der FARC, Alfonso Cano, aufgegriffen und getötet wurde und deshalb der Präsident Kolumbiens in Popayan eine Rede hält. Wir können nicht abschätzen welche Auswirkungen diese Aktion auf die allgemeine Sicherheitslage hat und beschliessen deshalb erstmals in Popayan zu bleiben um zu schauen wie sich die Situation weiterentwickelt.

Rio Patio

Nach dem Kettenwechsel naehert sich Philipps (Hand)Hautfarbe derjenigen der lokalen Bevolkerung an ;-)

In Kolumbien sind Fahrzuege da um beladen zu werden: entweder auf einer Chiva (Kolumbianischer Begriff fur Sammelbus mit Holzaufbau) ...

... oder auf einem ganz normalen PKW

dunkle Regenwolken vor Popayan

6 - 9.11.11 Popayan - La Tebaida
Wir geniessen 2 Ruhetage in Popayan (Hauptstadt der Provinz Cauca) und haben ausführlich Zeit die schöne Kolonialstadt zu besuchen. Leider fällt unser Aufenthalt auf ein verlängertes Wochenende und wir finden die Stadt wie ausgestorben vor. Fast alle Geschäfte sind geschlossen, es ist kaum ein offenes Restaurant zu finden, das einzige dass offen und gut gesucht ist (ganz im Gegensatz als in der Schweiz) sind die zahlreichen Kirchen. Auch die Sicherheitslage entwickelt sich leider nicht zum Positiven. War es in der Provinz Cauca sehr lange ruhig und sicher, hat die Tötung des "Maximo cheffe" der FARC die übrig geblieben Kämpfer zu einigen Rache-Bombenattentaten auf Polizeistationen und Ratshäusern in Dörfern in der Nähe verleitet. Wir wissen dass wir als Toureros nicht zur "Zielgruppe" der FARC gehören, trotzdem fühlen wir uns wohler die ehemaligen Stammlande der FARC zwischen Popayan und Cali möglichst schnell zu durchqueren und entschliessen uns deshalb die 140km bis nach Cali mit dem Bus zu fahren. Cali soll laut unseren Informationen kein lohnenswertes Ziel sein, so fahren wir am gleichen Tag noch 70km weiter bis nach Buga (900m), einem schönen Wallfahrtsort in der Provinz Valle de Cauca. Das erste Mal seit langem befinden wir uns im komplett flachem Terrain, so kommen wir auch am nächsten Tag fast 100km weit und erreichen La Tebaida (1100m) am Rande der zona Cafetera.

nicht umsonst wird Popayan die "weisse Stadt" genannt

Buga: viel Business mit Religion

Kurz vor La Tebaida wir es wieder bergig

10-13.11.11 : La Tebaida - Irra, die Zona Cafetera im kolombianischen Winter
Die Freude an raschem Vorwärtskommen in flachem Terrain war nur von kurzen Dauer, ab La Tebaida geht's wieder richtig zur Sache, mit vielen steilen Anstiegen. Wir bekommen auch den kolumbianischen Winter zu spüren, will heissen Dauerregen. Trotzdem geniessen wir die Fahrt durch die zona cafetera, vorbei an vielen Fincas im Kolonialstyl und zahlreichen Kaffee- und Bananenplantagen. Wir machen einen kleinen Abstecher nach Salento (2000m) einer kleinen Kolonialstadt am Fusse der Cordillera Central gelegen. Der Regen will nicht nachlassen, so entschliessen wir uns erstmal hier zu verweilen. Auch während unserem Ruhetag in Salento "schüttet es wie aus Kübeln". Diese riesigen Wassermassen führen in der Stadt Manizales ganz in der Nähe von uns zu einem dramatischen Erdrutsch mit mehr als 40 Toten. Das schlechte Wetter verunmöglicht leider auch den Besuch des Valle de la Cocora oder einer Kaffeeplantage. Länger abwarten wollen wir nicht, denn die Wetterprognosen lassen keine Verbesserung erahnen. So montieren wir unsere komplette Regen-Ausrüstung um die 50km bis nach Santa Rosa de Cabal (1700m) in Angriff zu nehmen. Auf dem Weg dahin müssen wir Pereira, das wirtschaftliche Zentrum der Region, zu durchqueren, eine Stadt die leider nur mit dem Attribut "hässlich" umschrieben werden kann. Auf dem Weg nach Santa Rosa kommen dafür in den Genuss einer strassenbaulichen Kurisität, will heissen einer Strasse die sich in einer 360°-Schlaufe (Halb Tunnel, halb Viadukt) den Berg "hochzirkelt". Wir erreichen unser Ziel schon um 13h, genügend Zeit also um die Thermen zu besuchen. In einer Chiva (kolumbischer Name für Sammelbus) erreichen wir die 8km entfernten Thermen von Santa Rosa de Cabal. Der Eintritt ist mit 15 USD/Person zwar ziemlich teuer, wir kosten aber bei diesem regnerisch-kalten Wetter das Plantschen in den 37-40°C warmen Becken am Fusse eines wunderschönen Wasserfalls in vollen Zügen aus. Am nächsten Tag haben wir seit langem wieder mal trockenes Wetter und erreichen in weniger als 3 Stunden Irra (700m), ein kleines Dorf am Fusse des Rio Cauca . Hier finden wir wieder Wärme, Sonnenschein und für 6 USD eine gute (wenn auch sehr kleine) Unterkunft.

Kolumbias Exportschlager: Kaffee

Typische Landschaft in der zona cafetera

Unsere Aussicht vom Hostal in Salento

Die Hauptgasse von Salento

Steigungen bewältigen geht auch ohne Haarnadelkurven

Die Thermen von Santa Rosa de Cabal, einfach herrlich ;-)

Platano, Arroz, Frijoles & Chuleta de cerdo, des Kolumbianers Lieblingsspeise

14-18.11.11: Irra - Medellin, auf Umwegen in die Stadt Pablo Escobars
Weiter geht es dem Rio Cauca entlang Richtung Norden. Die Strasse entlang des durch die zahlreichen Regenfälle braungefärbten Flusses ist wunderschön. Auch duzende von Ciclistos sind unterwegs und nehmen Photos von uns oder laden uns sogar zu einem Café ein. Nach 65km erreichen wir La Pintada, von wo die Strasse eigentlich das Tal verlassen würde um über einen 2500m hohen Bergkamm direkt nach Medellin zu gelangen. Uns hat aber die Strecke entlang dem Rio Cauca so gut gefallen, dass wir uns am nächsten Tag entscheiden dem Rio noch ein bisschen länger zu folgen, auch wenn dies einen "riesen Umweg" bedeutet. Wir bereuen diesen Entscheid keinesfalls, die Strecke von La Pintada, via Bolombolo nach Santa Fe de Antioquia ist wunderschön und fast verkehrsfrei. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich: Auenlandschaften, grosse Haciendas mit Bananenplantagen und enge Schluchten wechseln sich ab. Leider forderte auch hier der kolumbianische (Regen)Winter seine Opfer und wir sehen an vielen Orten Zelte wo Menschen untergebracht sind die ihre überschwemmten Häuser am Flussufer verlassen mussten. All dies ist leider nicht erstaunlich, wenn man sieht wie und vor allem wo hier in Kolumbien (wohl illegal) Häuser gebaut werden. Nach 2 Tagen erreichen wir Santa Fe de Antioquia (500m), bis 1850 die Hauptstadt der gleichnahmigen Provinz. Die Stadt ist mit seinen Häusern im Kolonialstyl, den Pflastersteinstrassen und den wunderschönen Hausportalen ein echter Hingucker, für uns die bis hierhin mit Abstand schönste Stadt Kolumbiens. Wir entscheiden uns hier einen Tag zu verbleiben um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten (so zum Beispiel die Puente del Occidente, seineszeichens älteste Hängebrücke Südamerikas) zu besuchen.

Isa unterhaltet sich mit einem kolumbianischen Ciclisto

Valle de Cauca zwischen Irra und La Pintada

La Pintada

Rio Cauca

nochmals Rio Cauca


Viel Platz lässt Rio Cauca der Strasse nicht mehr

Tier-Harmonie

Puente del Occidente: radeln über die älteste Hängebrücke Südamerikas

Santa Fe de Antioquia schöne Gassen ....

und kunstvollen Portalen

Ab hier können (und wollen) wir Medellin nicht mehr umfahren. Früh morgens fahren wir in Santa Fe los, denn uns erwartet ein Anstieg von 500 bis auf 2000m um über einen Tunnel nach Medellin zu gelangen. Der Aufstieg ist zwar steil und anstrengend, führt aber auch durch eine sehr schöne und wilde Berglandschaft mit zahlreichen Wasserfällen. Durch den Tunnel dürfen wir mit dem Rad nicht fahren, ein netter Polizist hilft uns aber eine Mitfahrgelegenheit durch den Tunnel in einem Lastwagen zu organisieren. Auf der anderen Seite des Berges angekommen ändert sich die Landschaft schlagartig. Vom Tunnelausgang auf 2000m führt die Strasse entlang mehr oder weniger ansehnlicher Slums/Vororte direkt ins Zentrum 2.5Millionen-Stadt Medellins auf 1500m. Wir haben in Medellin einen Kontakt für eine Casa de Ciclistas, zu dumm nur dass sich diese in einem Vorort im Süden der Stadt befindet und wir im Norden in die Stadt hineingefahren sind. Dass heisst dass wir zuerst ganz Medellin durchqueren müssen. Danach stellen wir mit Schrecken fest dass der Vorort nicht im Talboden liegt sondern wieder einen happigen Anstieg beinhaltet. Als es dann auch noch in Strömen zu regnen beginnt und die Dämmerung immer näher kommt, steht es mit unserer Moral nicht mehr zum Besten, vor allem weil wir die genaue Adresse nicht kennen. Kurz vor Eindunkeln erreichen wir total durchnässt und erschöpft den Vorort San Antonio de Prado wo wir nach einigem Herumfragen den Bikeladen von unseren Gastgebern (Martha und Manuel Velasquez) finden. Dort werden wir wärmstens mit Kaffee und Brötchen empfangen nur um zu erfahren dass ihr Haus nochmals 3km weiter Oben am Berg auf über 2000m liegt. Kurz vor 20h und mehr als 2200Hm (neuer Rekord für uns) kommen wir entlich an und gönnen uns zuerst mal eine heisse Dusche, danach gibt es ein leckeres Nachtessen mit Frijoles und Chicharron de Cerdo Jetzt freuen wir uns erstmal auf eine Woche "Descanso" bei Martha & Manuel.

Auch auf dem Weg nach Medellin hinterlässt der Regenwinter seine Spueren

erster Blick auf Medellin

3 Kommentare:

Beat hat gesagt…

Hallo zäme. Wie bisher stets wurde mir fast schwindlig angesichts der Höhenmeter, der Distanzen, der Regengüsse und ähnlich mit Anstrengungen verbundener Begriffe bzw. Aktivitäten ... aber die wunderschönen Fotos lassen erahnen, dass die Strapazen sich meistens lohnen. Zurück in der Schweiz werdet Ihr locker vom Hocker (auf dem Velosattel) mehrmals täglich wenn nötig von Sierre oder Sion hin und her nach Diogne fahren ... sind ja nur je ca 433.3 HM. Herzliche Grüsse.
Beat

Jeannine hat gesagt…

Hallo zäme
Ja, Colombien scheint Euch auf die Probe zu stellen! Wenn es sich lohnt ok!! Bald werdet Ihr ja hoffentlich noch ein bisschen ausruhen vor der Heimreise.
Grüsse und seid vorsichtig, bis bald
Jeannine

Ruedi hat gesagt…

Hallo Isa und Philipp
Die tollen Bilder machen gluschtig, die harten Aufstiege schon bei der Vorstellung Muskelkater; die Schilderungen erweitern unseren Horizont, gewisse Zustände machen betroffen...
Wir wünschen Euch für den Rest der Riesentour alles Gute und bedanken uns herzlich für die Einblicke in eure "tourdereve" - möge sie glücklich weitergehen!
Liebe Grüsse von den Zollikofen-Schärs

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